Volles Haus in Münchholzhausen

mit Heike Drechsler und Britta Steffen bei der Space Party Crew. NAL © Thomas Wissner

(nal). Just zu jener Stunde, da sich in der Alten Oper in Frankfurt beim 40. Deutschen Sportpresse-Ball Leichtathletik-Größen von München 1972 wie Renate Stecher und Heike Rosendahl ein Stelldichein gaben, konnte der Vorsitzende der »Space Party Crew against Aids«, Torsten Weicker (Dutenhofen), mit den beiden Doppel-Olympiasiegerinnen Heike Drechsler und Britta Steffen zwei »ewige Helden des Sports in Wetzlar« begrüßen.

In das Bürgerhaus Münchholzhausen war es dem Verein einmal mehr gelungen, zwei Sportgrößen Deutschlands zu holen und wurde dafür mit einem vollen Haus belohnt.

Groß war das Interesse an den beiden Olympiasiegerinnen, Welt- und Europameisterinnen, wobei Steffen die Schirmherrschaft für den Abend übernommen hatte, während Drechsler einiges aus ihrem Leben zu berichten hatte und auch im Nachgang gerne die Fragen der Zuhörer beantwortete. Tobias Kämmerer oblag die Moderation und dieser hatte angesichts der beiden Damen wahrlich leichtes Spiel, wurde doch beste Unterhaltung geboten – und das zur großen Freude von Weicker gänzlich ohne die übliche Power-Point-Präsentation. Einzig und allein Fotoaufnahmen aus dem Leben der beiden Athletinnen waren auf der Großleinwand zusammen mit vorausgegangenen Space-Party-Crew-Events an gleicher Stätte zu sehen.

Und einmal mehr startete der Abend mit der Übergabe von Spenden, von denen der Verein allein in diesem Jahr die stattliche Summe von 30 000 Euro überreicht hat. Diesmal gab es insgesamt 5000 Euro für den guten Zweck und zwar jeweils 1000 Euro gehen an Plant for the planet in Aschaffenburg und die Sportstiftung Hessen sowie jeweils 1500 Euro für die Philipp Lange Stiftung in Berlin und die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG) Landesverband Berlin. Seit 2000 wurden vom Verein bisher insgesamt 212 386,42 Euro an Spenden überreicht.

Heike Drechsler ist eine der erfolgreichsten Leichtathletinnen aller Zeiten, gewann zweimal Olympisches Gold (1992 und 2000) und einmal Silber (1988), war Weltmeisterin (1983 und 1993) und vierfache Europameisterin (1986, 1990, 1994, 1998) im Weitsprung und war darüber hinaus auch als Sprinterin recht erfolgreich, holte sie doch Bronze bei den Olympischen Spielen 1988 über 100 und 200 Meter, Silber bei der WM 1987 über 100 Meter und wurde in Stuttgart 1986 Europameisterin über 200 Meter. Diese Strecke habe ihr schon immer am meisten zugesagt verriet sie nach ihrem Vortrag bei den Zuschauerfragen, als es darum ging, ob denn heute noch solche Doppelstarts im Sprint, Mehrkampf und Weitsprung wie bei ihr und etwa Carl Lewis gebe. Malaika Mihambo sei das beste Beispiel dafür: »Eine Weitspringerin muss schnell sein. Auch Maleika sprintet, vielleicht läuft sie ja auch in der Staffel, man muss sehen, wie es kombinierbar ist«, so Drechsler die dann so ganz nebenbei berichtete, wie es zu ihrem 200-Meter-Start bei der EM 1986 kam. »Ich habe gesagt, ich laufe mal die 200 Meter und habe dann den Weltrekord eingestellt. Aber 7,48 Meter springt man nicht mit schlechter Sprintleistung. Wenn ich Malaika springen sehe, bekomme ich Gänsehaut«, räumte Drechsler ein. Spielt heute die richtige Sportlerernährung eine große Rolle, so verriet die gelernte Feinmechanikerin (Optik) und Botschafterin der Deutschen Rheuma-Liga, dass sich dies erst in den 90er-Jahren durchsetzte. Zu DDR-Zeiten »war das definitiv nicht so. Ich hatte aber auch kein Problem mit meinem Gewicht. Ich komme aus Thüringen. Da gibt es Thüringer Bratwurst, die haben wir uns auch schon mal eine halbe Stunde vor dem Training geholt und gemerkt, dass es nicht gut war.« Überhaupt habe es seinerzeit wenig Fleisch gegeben »und in der Sportschule waren wir neidisch auf die Werfer, die haben ein Stück Fleisch mehr auf dem Teller gehabt.« Gerade vor dem Hintergrund des stark in den Fokus rückenden Themas »Druck«, bei dem sich mittlerweile zahlreiche Sportler, Trainer und Sportmanager öffnen und von ihren Problemen berichten, erläuterte Drechsler, dass »in der Wendezeit, als ich in DDR-Mannschaft kam, hat man den Druck gespürt. Man ist ja nicht hingefahren, um Vierter oder Fünfter zu werden. Da habe ich mir eher gewünscht, dass da Druck rausgenommen wird«, verriet sie auch von ihrem ersten Leistungsauftrag mit 13 Jahren in der Schule. »Wir hatten immer klare Ziele. Ich war sportlich so fit, sodass ich die immer geschafft habe. 1988, als ich richtig im Stress war, da war der mentale Druck da, da hat mein Trainer geholfen. Aber die innere Stärke, die hatte ich schon als Kind gelernt, um mit solchen Situationen umzugehen. Ich musste schon immer kämpfen. In der Wendezeit war meine Familie mein Rückhalt. Wir hatten auch viele Freunde mit denen man reden konnte.«

Britta Steffen wandte dabei ein: »Manchmal willst du, aber der Körper nicht.« Beide hatten solche Situationen in ihrem Sportlerleben. Dabei verriet Drechsler auch, wie wichtig Rituale vor einem Wettkampf sind. Sie suchte dabei »immer eine Ecke, wo ich völlig für mich bin. Da bin ich in meinem Tunnel, gehe Bewegungsabläufe durch. Rituale gehören zu einer guten Vorbereitung. Auch Atemtraining ist sehr wichtig. Das lernt man, je mehr solche Situationen und Herausforderungen man hat, je ruhiger wird man auch. Diese Resilienz steigt mit den zunehmenden Herausforderungen.«

Steffen, Doppel-Olympiasiegerin in Peking 2008 und Doppel-Weltmeisterin 2009 sowie neunfache Europameisterin wurde gefragt, ob sie während ihrer Karriere mehr als nur Schwimmhalle und Stadion kennengelernt habe. »Irgendwann hatte ich mir vorgenommen, nicht mehr den Bus zu nehmen und bin gelaufen, um alles kennenzulernen.« Als eine große Aufgabe, die auch den meisten Beifall des Abends bekam, verstehen beide den von Drechsler formulierten Satz: »Wir müssen die Menschen überzeugen, wieder mal Olympische Spiele in Deutschland zu haben. Musikalisch umrahmte Nica den Abend der »ewigen Helden des Sports in Wetzlar«.

Moderator Tobias Kämmerer (oben rechts) und zwischen Britta Steffen (oben links) und Heike Drechsler (oben, 2. v. r.) Annika Mehlhorn von der Sportstiftung Hessen. FOT: NAL © Thomas Wissner