Meine Medizin seid ihr

„Meine Medizin seid ihr“: Freunde helfen, Krebs zu besiegen

Marlene Bierwirth aus Mittelhessen erhält mitten in den Abiturprüfungen die Diagnose Krebs. In einer ergreifenden Lesung erzählt die heute 22-Jährige von ihrem Kampf – und ihrem Sieg. Von Lothar Rühl

Space Party Crew against AIDS e.V., Lesung mit Marlene Bierwirth, Bürgerhaus Wetzlar-Münchholzhausen, 28.08.2021. Foto: Christian Lademann / lademann.media

WETZLAR-MÜNCHHOLZHAUSEN – Wetzlar-Münchholzhausen. Marlene Bierwirth ist eine fröhliche, energiegeladene 22-Jährige. So wirkt sie auf der Bühne des Bürgerhauses Münchholzhausen bei der Lesung aus ihrem Buch „Meine Medizin seid ihr. Wie mir meine Freunde halfen, dem Krebs die Stirn zu bieten“. Mitten in den Klausuren zum Abitur erreichte die damals 18-Jährige aus Hungen-Obbornhofen die Diagnose „metastasiertes Medulloblastom“, ein bösartiger Gehirntumor. Eingeladen zu der Lesung hatte der Verein Space Party Crew. Vorsitzender Torsten Weicker aus Dutenhofen konnte die hr-Moderatorin Susann Atwell als Schirmherrin gewinnen. Atwell sagte, sie erinnere sich daran, dass sie den Beitrag über Marlene Bierwirth in der Sendung Maintower anmoderiert habe. Die Medien waren schnell auf die junge Frau aufmerksam geworden und berichteten in Zeitungen, Radio und Fernsehen.

„Ich habe einen Termin um halb neun. Mein Name ist Bierwirth“, liest die Hungenerin aus ihren 288 Seiten Erinnerung an die 14 Monate mit Operationen und Chemotherapien, die mit dem Besuch beim Augenarzt am 24. März 2017 ihren Anfang nahmen.

„Ihre Augen sind gut, aber die Nerven dahinter sind angeschwollen. Sie sind ein Notfall. Sie müssen heute sofort in die Klinik“. Diese Aussagen des Arztes ließen nichts Gutes ahnen. „Der Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger sein können, denn ich habe keine Zeit“, notierte die sympathische Frau in ihr Buch. Der Vater bringt sie in die Universitätsklinik, wo die niederschmetternde Diagnose festgestellt wird. Sie will zunächst die Situation nicht wahrhaben. „Kann mich mal jemand kneifen?“, will sie gesagt haben, um aus dem Traum aufzuwachen. Doch es ist kein Traum. „Die Situation ist beschissen, sogar schlimmer als das. Vor allem ist sie beängstigend“, stellt sie fest. Als sie sich dem Krebs stellt, wird sie zur Kämpferin. „Das Einzige, das wir Krebskranken machen können, ist dem Krebs zu trotzen“, liest sie weiter. https://9e17f0d621a40c77d41f349650db7d1a.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-38/html/container.html Sie fragt sich, warum sie und die anderen Kinder in der Krebsstation so leiden und auch kämpfen müssen und findet die Antwort: „Weil wir die Stärksten unter den Menschen sind“. Marlene Bierwirth beschließt „ich will leben“. Sie schreibt ihre Gedanken in einen Blog im Internet und veröffentlicht Bilder auf Instagram, wo ihr rund 150 000 Menschen folgen. So steht nicht nur ihre Familie mit Vater, Mutter, Schwester und Bruder hinter ihr, sondern auch viele Menschen, die Anteil nehmen an ihrem Schicksal. Das gibt ihr Kraft die Zeit in der Kinderkrebsklinik durchzustehen. Noch während der Therapie kam der Verlag Eden Books (Hamburg) auf sie zu und fragte, ob sie ihre Erlebnisse in einem Buch veröffentlichen wolle. Inzwischen hat es ihr Werk zum Preis von 14,95 Euro in die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. „Ich habe richtig Bock gehabt, wieder zu leben“, schreibt sie nach der erfolgreichen Behandlung. „Manchmal kann ich sogar so weit gehen, dem Krebs Danke zu sagen“, schildert die Autorin, die inzwischen ihr Abitur nachgeholt und ein Studium der Sozialpädagogik begonnen hat. Durch die Krankheit habe sie viele Freunde gefunden. Die schwere Zeit habe auch etwas Schönes gehabt. „Ich darf mein Leben so frei führen und fühle mich glücklich“, resümiert die junge Frau. Atwell stellte fest, dass Bierwirth in so kurzer Zeit erwachsen werden musste. Und dass sie gelernt habe, dass das Leben kostbar ist und man es genießen sollte. Zum Programm des Abends trug nicht nur Kathrin Wenzel mit ihrem Saxofon bei. Bierwirth hatte auch den Chor Songline aus Lich mitgebracht. „Ich liebe es, mit Songline zu singen“, stellte sie fest und reihte sich in die 14-köpfige Formation ein.