Ski-Olympiasiegerin Hilde Gerg spricht über ihre Karriere – und den Umgang mit Rückschlägen

Ski-Olympiasiegerin Hilde Gerg zieht bei ihrem Gastvortrag die Besucher der Jahreshauptversammlung der Space Party Crew in ihren Bann. © Thomas Wissner

Ski-Olympiasiegerin Hilde Gerg war bei der Space Party Crew against AIDS in Münchholzhausen zu Gast. Dort gab sie interessante Einblicke.

(nal). »Verändern können wir immer etwas. Dafür brauchen wir Mut, Herz und unsere innere Stimme.« So Olympiasiegerin Hilde Gerg, die bei der Jahreshauptversammlung der Space Party Crew against AIDS in der Gaststätte »Zur Krone« in Münchholzhausen zu Gast war, um über »den Slalom meines Lebens« zu sprechen.

Doch bevor Gerg den Mitgliedern über tiefgreifende Einschnitte wie schwere Verletzungen und den Tod ihres Ehemanns wie auch über ihre Erfolge berichtete, hatte Vorsitzender Torsten Weicker erfreuliche Mitteilungen. Seit einem Vierteljahrhundert besteht mittlerweile der Verein Space Party Crew against AIDS und sogar seit 35 Jahren die Space Party Crew.

Vier Spendenchecks übergeben

Mittlerweile konnte die 500er-Marke überschritten werden, zählt der Verein aktuell 470 Personen und 41 Firmen zu seinen Mitgliedern. Und am Abend waren es gar 471 Personen, trat doch Hilde Gerg spontan dem Verein bei.

Und dessen Bilanz ist schon einzigartig, wurden im Rahmen der Jahreshauptversammlung vier Spendenschecks über insgesamt 2257 Euro übergeben, darunter 500 Euro an die Sportstiftung Hessen, 250 Euro an den Obst- und Gartenbauverein Dutenhofen und 1000 Euro an die Kinderkrebshilfe Berchtesgadener Land und Traunstein »Everest« – und damit die Gesamtspendensumme seit dem Jahr 2000 auf über eine Viertelmillion Euro geschraubt. Insgesamt 250 283,42 Euro wurden für karitative Zwecke gespendet.

Beim Verein ist es gute Tradition, dass stets ein prominenter Gast zur Jahreshauptversammlung kommt, um vor den Mitgliedern zu sprechen. Hilde Gerg machte das Dutzend voll und war zudem die erste Ski-Alpin-Athletin. Eine Woche vor ihrem 50. Geburtstag berichtete die Slalom-Olympiasiegerin und Kombination-Bronzemedaillengewinnerin von Nagano 1998, deutsche Fahnenträgerin bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City und seit 2021 in der »Hall of Fame des deutschen Sports« aufgenommene Gastwirtstochter aus ihrem Leben.

Slalom-Olympiasiegerin Hilde Gerg berichtet aus ihrem Leben
Aufgewachsen auf 1492 Metern Höhe, in einer idyllischen Bergregion, betrieb ihre Familie eine kleine Gastronomie. »Als Wirtstochter bin ich durch unsere exponierte Lage oft mit den Skiern zur Schule gefahren«, erzählte sie mit einem Lächeln – und zog das Publikum mit ihrer Lebensgeschichte sofort in ihren Bann. Nicht nur sportliche Erfolge prägten ihren Weg. Tiefgreifende Einschnitte wie schwere Verletzungen und der Tod ihres Ehemanns stellten sie vor existentielle Herausforderungen. Doch gerade diese Erfahrungen führten sie zu innerer Stärke und persönlichem Wachstum.

»Als Leistungssportler gibt es viele, die finden dich toll, wenn du erfolgreich bist, doch wenn du auf der Couch mit einem gebrochenen Bein liegst, dann kommt dann keiner. Und der Trainer sagt, wenn du wieder mal laufen kannst, dann sehen wir weiter. Und wenn du ein Jahr später eine Medaille holst, dann will der auch als ein Teil des Erfolges verstanden werden«, musste sie erkennen, wer es ehrlich mit einem meint, wer bleibt und wer nicht.

Ein Trauerprozess ist schwerer als ein gebrochenes Bein.

Hilde Gerg

»Ein Trauerprozess ist schwerer als ein gebrochenes Bein«, räumte sie freimütig ein. Herausforderungen seien das Salz in der Suppe des Lebens. In eindrucksvoller Klarheit schilderte sie, wie Herausforderungen entweder ganz plötzlich auftreten – durch Krankheiten, familiäre Umbrüche oder politische Entscheidungen -, oder sich schleichend entwickeln, etwa durch unterdrückte Wünsche, ungelöste Konflikte oder chronische Erschöpfung. Ihre Empfehlung: Sich selbst ehrlich reflektieren und den inneren Kompass neu ausrichten.

Mut beginne mit kleinen Schritten. »Manchmal ist es nur ein Mikrowechsel, aber dieser braucht Mut«, so die Ex-Sportlerin. Die eigene Intuition sei dabei ein wichtiger Impulsgeber. Reflektion, ehrliche Entscheidungen, emotionale Intelligenz und innere Klarheit – das seien die Bausteine eines selbstbestimmten Lebens.

Gerg berichtet über mentale Strategien


Besonders eindrücklich war ihr Modell des »Verhinderungszyklus«: Orientierungslosigkeit, Wut, Erschöpfung, Trauer, emotionale Kälte – Zustände, die viele Menschen in schwierigen Lebensphasen durchlaufen. Doch jeder Punkt biete auch eine Möglichkeit, neu anzusetzen. Der Weg heraus führe über Zielsetzung, das richtige Mindset, Commitment und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Sie selbst habe nach einem folgenschweren Sturz in Maria Alm 2000 erkannt, dass es sich zwar rein technisch um einen Fahrfehler gehandelt habe, doch sei der Unfall auch durch das persönliche Zerwürfnis mit ihrem damaligen Trainer begünstigt worden. »Du musst immer 100 Prozent geben, fokussiert sein, sonst kann es zur Katstrophe kommen«, lautete ihr Resümee, verbunden mit dem Hinweis, dass es »den perfekten Lauf nicht gibt«.

Kleinste Unsicherheiten können sich unbewusst auf den gesamten Lauf auswirken. Trotz dieser Herausforderungen behielt sie bei ihrem Goldlauf die Nerven, schaute sich nicht auf dem Bildschirm die Läufe ihrer Mitstreiterinnen an, fokussierte sich – und gewann Gold mit einem Vorsprung von sechs Hundertstelsekunden vor der noch nach dem ersten Lauf führenden Italienerin Deborah Compagnoni – die sich die Läufe der anderen angeschaut hatte.


»Im entscheidenden Moment ruhig, ehrlich und authentisch zu handeln, kann aus Unsicherheit Stärke machen.« Nach ihrer schweren Verletzung nutzte sie neben dem sportlichen Training Qi Gong, Meditation und mentale Techniken zur Selbstheilung.

Stille als Wirkraum für Entscheidungen


Zum Abschluss ging die einst als »wilde Hilde« bezeichnete Athletin auf die Rolle der Stille ein. »Ruhe ist meine Kraftquelle«, betonte sie. Die Überflutung durch Informationen und permanente Reizüberflutung mache es heute schwieriger denn je, bei sich zu bleiben. »Der Wald, die Berge, der Garten – das brauchen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene«, sagte sie. Die Stille sei kein Rückzug, sondern ein Wirkraum, in dem Entscheidungen reifen können.

Die nächste öffentliche Veranstaltung der Space Party Crew findet am 15. November mit Olympiasieger Matthias Steiner im Bürgerhaus Münchholzhausen statt. Eintrittskarten gibt es für 15 Euro unter 0171 / 8180890 oder per Mail an info@spacepartycrew.de.